Euro-ATAXIA Jahrestreffen 20-21 Mai 2016            Suni christie Zaugg

Diese Jahr ging ich für Euch zum ersten Mal zum Euro-ATAXIA Jahrestreffen um von den Neuigkeiten rund um FridA Kenntnis zu nehmen und zu berichten. Das Ganze lief in Englischer Sprache ab. Meine Muttersprache ist Englisch und ich bin die Mutter eines 25-Jährigen FridA-Betroffenen. Ich fand es trotzdem nicht so einfach alles zu folgen, denn in jedem Bereich ist für die Profis so viel selbstverständlich, dass auch wenn sie ganz einfach reden wollen, braucht es viel um den Gesamtzusammenhang zu verstehen.

Ich hoffe, dass das, was ich hier schreibe, genügt, um die verschiedenen Themen und ihre von-einander-abhängigen, inneren Zusammenhänge klar machen kann.

Die sehr gute Nachricht ist, dass die Ataxie-welt eine Welt voller Hoffnung ist. Sie ist eine Welt von verschiedenen Akteuren – vor allem 1) Betroffenen und ihren Interessengruppen, 2) medizinischen Spezialisten, 3) Forschenden und 4) der globalen Pharmaindustrie – geprägt. Und diese verschiedenen Akteure mit ihren verschiedenen Interessen können einander behilflich sein – oder daran scheitern – je nach dem, wie gut sie ihre Interessen und Bedürfnisse miteinander kommunizieren und in wie weit sie einander verstehen und ihre verschiedenen Vorgehensweisen respektieren. Wenn wir, als Betroffene verstehen wie wir dazu beitragen können und aktiv werden, dann werden wir wirklich von einer sehr hoffnungsvollen Nah-zukunft für FRIDA-Betroffene reden können.

Ich gehe von den Betroffenen Perspektiv aus, und am Ende sollte das Ganze ein logischer Kreis bilden.

Die Betroffenen sind die Basis von einem ganzen Kreis. Sie wünschen sich wirksame Therapien und - ist man so mutig es auszusprechen? - Heilung.

Sie besitzen aber auch etwas: die Geheimnisse der Krankheit. Um neue Therapien zu entwickeln, brauchen Forscher Kenntnis von diesen Geheimnissen.   Der Art wie die Geheimnisse verpackt sind, ist nach heutiger Sprache, in Biomarkers.

Was sind Biomarkers?

FridA wurde von Dr. Friedreich schon im 19. Jahrhundert erkannt.  Es dauerte jedoch bis 1996 bis man durch eine Blutanalyse  die FridA klar feststellen und eine richtige Diagnose machen konnte. Die Blutanalyse und ihr Ergebnis sind ein Beispiel eines Biomarkers, der die überdurchschnittliche Menge Wiederholungen der GAA Allel in der Gen-kette misst. Mit diese Erkenntnis folgte relativ bald die erste Therapie (CoEnzyme-Q10 / Idebenone), die die Krankheit deutlich verlangsamt hat. Mittlerweile sind die Bio-, Gen-, und Nano-wissenschaften (u. A.) so anders geworden, dass es viele neue Arten gibt, gerade bei FridA, Feststellungen und Beschreibungen zu machen. Die Arte sind sehr verschieden und verlangen z.T. verschiedene, teure Spezialgeräte um ihre Messungen durchzuführen. Den Namen haben sie aber gemeinsam: sie heissen alle Biomarkers und sie markieren körperliche Dinge, die Aussagekräftig sind. Sie beschreiben biologische Zustände: sie lassen die Pathologie und ihr Verlauf erkennen, messen und beschrieben, und können auch die Erst- und Kumulativ-wirkung einer Therapie markieren. So sind Biomarkers ein mächtiges Werkzeug der Erkenntnis und der Entwicklung von Therapien und Produkten. Sie werden bei jedem Schritt von der Basisforschung zur Produktherstellung gebraucht und instrumentalisiert. In Bezug auf Betroffene kann man als Fazit sagen, jeder hat potentiell Biomarkers, mit denen er/sie der Forschung dienen kann.

Mediziner, die mit den Patienten in Kompetenzzentren arbeiten und die anonymen Biomarker-Daten bei einem sog. Patientenregister (siehe Unten) eintragen, dienen dem Wissenstand und der Arbeit der Forschenden. Was aber die Produktentwicklung betrifft, ist die Situation nicht ganz so einfach. Bevor Produkte überhaupt für den Markt vorbereitet werden, müssen die Medikamente in „double blind“ klinischen Trials getestet werden. Hier, wie gesagt, kommen wieder die Biomarkers zum Einsatz.  Es braucht aber auch eine Menge Betroffener die Bereit sind an den Trials teilzunehmen. Ob genügend Leute rasch gefunden werden, entscheidet, ob Trials durchgeführt werden und so, ob überhaupt bestimmte Therapien zu Stande kommen werden. 

Ich habe mir immer vorgestellt, es gäbe die Forschung für neue Produkten nicht. Aber so ist es nicht unbedingt – einige Entwicklungen versprechen Erfolg, aber es gibt nicht immer die Freiwilligen, die sich bereit erklären, an Trials teil zunehmen. Wie tut man das? Muss man sich bei Novartis anmelden? Die Antwort lautet, man meldet sich bei einem freiwilligen Patienten-register an (siehe Unten), was etwas anders ist als ein Patienten-Register, das von Medizinern in einem Kompetenz-zentrum ausgefühlt wird. Dies ist eine mega-gute Nachricht für uns hier in der Schweiz, weil durch Demographie und Kantönligeist haben wir so oder so keine Kompetenz-zentren (was als Begriff ein sehr bestimmte Bedeutung hat) für FridA in der Schweiz.

Was ist ein Patienten-register?

An der Tagung hat Jan Farmer von FARA – Friedreichs Ataxia Research Alliance - die zwei Arten von Pateinten-Registern (Patient Registries) erklärt. Als Teil ihrer Arbeit koordiniert Jan ein Amerikanischen Patientenregister für FridA. Dies hat ermöglicht, dass klinische Trials für mehrere bald-mögliche Therapien in den USA zu Stande gekommen sind. Und es sind eine Reihe weiterer Trials die momentan im Gange sind. FARA, durch den Einsatz von Jan Farmer, ist beispielhaft, was der Sinn und die Wirkung Patienten-Registern bewirken können!

Jan erklärte, wozu die zwei verschiedenen Arten von Patientenregistern dienen: a) der Forschung und b) den klinischen Trials.

Es gibt (a) Naturgeschichte-Registern ausgefüllt von Ärzten, die, durch die Angaben zu den bestimmten anonym-bleibenden Patienten, ein Spiegel der Häufigkeit und des Verlaufs des Krankheitsbildes einer Krankheit über längere Zeit abbilden. Diese Informationen dienen dem Verständnis einer Krankheit und helfen so, der Forschung.

Es gibt aber auch (b) freiwillige, selbst-ausgefüllte Patientenregistern, bei denen Betroffene selber, oder mit Hilfe ihrer Angehörigen, mit einem Minimum an Information über Zustand und Aufenthaltsort per Formular oder Internet sich anmelden und sich bereits erklären im geeigneten Fall an Patientenstudien – klinischen Trials - teil zu nehmen. FARAs Register, der zu so viel Erfolg geführt hat, ist so ein Register. Um das Subjektive ganz kurz zu halten: man muss kein Angst um Personenschutz haben, heutzutage ist eine volle Verschlüsselung möglich, was die absolute Anonymität gewährleistet.

In Europe gibt bis jetzt nichts Vergleichbares zum FARA-Register.

Prof. Dr Massimo Pandolfo, prominenter Forschender Arzt (Brüssel, Hôpital Erasme) jedoch, koordiniert EFACTS Database (European Friedreichs Ataxia Consortium for Translational Studies Datenbank), die momentan wie etwas zwischen den zwei Arten von Registern fungiert.

Was ist EFACTS?

EFACTS ist eine Datenbank die fungiert als beide Arten von Patienten-register. Sie dient Forschenden und der Pharmaindustrie, weil sie durch ihre umfangreiche Messungen Klarheit schafft: sie bietet naturgeschichtliche Information und weiter macht sie klar, wo Betroffene leben, die bereit wären an klinische Patientenstudien teilzunehmen.

 Prof. Pandolfo ist überzeugt, dass solche Register absolut notwendig für den Produkterfolg (Therapien ) sind. Seine Erklärung sollte uns Schweizern kaum fremd klingen: Die Pharmaindustrie ist ein Global-player. Sei es Pfeizer, Novartis oder SmithKlein- Glaxo, sie alle versuchen neue, erfolgreiche Produkte zu entwickeln und das in einem Konkurrenz-umfeld. Sie siedeln sich dort an, wo die Bedingungen für sie geeignet sind. Und sie reifen die Produkte aus, die sich ausreifen lassen, was vor allem mit seltenen Krankheiten schwierig ist, weil sie seltene Menschen für die Trials brauchen. Gibt es ein Patientenregister, das eine gewisse Dichte an Teilnehmern verspricht, so kann ein Pharmakonzern sich entscheiden, das Produkt zu entwickeln. Kann keine solche potentielle Teilnehmerliste angeboten werden, ist es möglich, dass eine solche Produktenwicklung abgesagt wird.

Unausgesprochene Fazit Prof. Pandolfos Botschaft? Sagen Sie ja zur Entwicklung eines europäischen Patienten-register und lassen Sie es mit den Amerikanern und anderen zu einem globalen Patienten-register werden. So können wir für Ihre Zukunft vorwärts machen.

Der Samstag diente die „Updates in Ataxie-Forschung“.

Das wichtigste in Kurzem

Fr. Dr. Paula Giunti informierte zu den Forschungsaktivitäten des

Ataxia Centre London, das eines der Europäischen Kompetenzzentren ist. Dort werden als Teil Patienten-Checkups und Behandlungen die Biomarkers Betroffener gemessen und (Art a) registriert. Die neuste Forschungen von Dr. Giunti fokussieren aber ehe die sozialen und alltäglichen Seiten der Krankheit. Durch systematische Hausbesuchen konnte sie zum Verständnis der alltäglichen Herausforderungen und Hindernissen im Leben der Betroffenen in verschiedenen Phasen der Krankheit beitragen. Zur Entlastung des Patientenlebens werden jetzt die verschiedenartigen Terminen und Messungen so koordiniert, dass sie an einem Tag durchführt werden kann. So müssen die Betroffene sich viel seltener von der Arbeit oder Ausbildung entschuldigen und das Reisen und die Begleitpersonen organisieren.

Dr. Isabelle Husson (Paris) macht Forschung zu Müdigkeit und Erschöpfung, Physio- und Psychotherapie bei Jugendlichen mit FridA

Als Krankheit beeinflusst FridA wesentlich das Leben von Kindern und Jugendlichen und das zu einer Zeit, an der die eigene Wahrnehmung  besonders sensibel ist, in Bezug auf Selbstwert und Dritt-mitteilungen. Während in der Vergangenheit Mediziner glaubten, dass Muskelkranke von Ruhe und der Vermeidung von Anstrengungen profitieren würden, zeigt Fr Dr. Husson überzeugend das Gegenteil, dass nämlich nicht nur die allgemeine Gesundheit und der Tonus des Patienten durch reguläre Physiotherapie und physische Aktivitäten verbessert, sondern auch die typische ataxische Erschöpfung dadurch minimiert wird. Diese Ergebnisse können noch durch geeignete, sorgfältig ausgewählte und eingesetzte orthopädische Hilfsmittel wie spezielle Schuhe, Fersenverstärker, etc. verbessert werden.  Junge Leute wollen oft gar keine solche orthopädische Hilfsmittelen. Als Dr. Husson jedoch Jugendliche mit Hilfe von Videos ihr eigenes performatives Verhalten mit und ohne Einsatz von Hilfsmitteln zeigt, sind diese selber vom guten Zweck dieser Hilfsmittel überzeugt.  

Prof Massimo Pandolfo demonstrierte  durch seinen Update über die Entwicklung von Biomarkers in FridA, was gegenwärtig für Messungen möglich sind.  Biomarkers müssen technisch machbar und einfach wiederholbar sein. Sie müssen präzise und zuverlässig sein, und klaren Aussagen zu Zustandsänderungen liefern.

Es gibt einige Biomarkers für FridA die nicht-invasiv gemessen werden können, wenn die einen auch etwas komplexe Geräte benötigen. Die Messung von Frataxin und Änderungen der Stoffwechselkette, Messungen des But-phänotypus und des Phänotypus-lymphozyt-Ansprechen, wie auch der Neuropathologie können jetzt alle durch Biomarkers verfolgt werden.  Auch sensorische Funktionen mögen als Marker benutzt werden:  So kommen SSEP (Somatosensory evoked potentials), MEG (Magneto-encephalography), und CKC (cortico Kinematic coherence) u.A. bei der Messung von motorisch-provozierten Potentialen.

EFACTS (an dem Sie freiwillig teilnehmen können) sammelt Informationen zu den verschiedenen Biomarkers um das Wissen um FridA und ihrer Verbreitung in Europa. Sie soll auch eine Liste klar beschriebener und georteter Betroffenen führen, um eventuelle Trials zu koordinieren. Nach Behandlungen und Therapien für FridA zu streben, ist besonders sinnvoll, da die Krankheit obwohl sehr schwächend, langsam voranschreitet.

Prof Thomas Klockgether lieferte Forschungs- Neuigkeiten zu sporadischen Ataxien und MSA.

Dr. Giulia Coarelli  berichtete zu klinischen Trials, bei denen Riluzole oder Placebos Betroffenen verschieden Ataxien verabreicht wurden. Die Präsentation zeigte wie double-blinds Trials organisiert werden und wie die verschiedenen Phasen von Trials Schritt für Schritt durchgeführt werden.

Dr. Jina Swartz  berichtete zu D-amino acid oxidase inhibitor in the symptomatic treatment of cerebellar ataxia. Die Forschung scheint vielversprechend.

Dr. Robert de Jager: A randomized, double-bind, controlled study to assess safety, tolerability and pharmacokinetics of RT001 in patients with FridA

Wie wird ein Medikament zum endgültigen Produkt?  Wie wird es vorberietet und getestet für den Markt? Dr. de Jager zeigte nochmals, wie wichtig der Beitrag von Betroffenen für die Trials und Vorbereitung von Medikamenten ist, und wie viel Knocken-arbeit noch in der pharmazeutischen Aufbereitung von Produkten steckt, bevor sie auf dem Markt erscheinen. Retrotope führt momentan double-blind klinische Trials in den USA durch, die Juli 2016 zu Ende kommen. Je nach Resultat, könnte RT001 bald in Produktion sein.  Weil die Testen in den USA statt fanden, wird die Therapie zuerst auf dem Amerikanischen Markt kommen...