Laponia

Es war im frühen Winter. Plötzlich kam mir die Idee, Urs könnte doch einmal allein Ferien machen und zwar irgendwo oder irgendwas, was nur für ihn ginge. Ich surfte im Internet und fand unter anderem «Hundeschlittenkurse» in Lappland. Zuerst war Urs skeptisch mich alleine zu lassen um allmählich doch Gefallen am Gedanken zu finden im Winter in den Norden zu fahren. Das Reisebüro meinte, dass dies auch für Rollstuhlfahrer möglich wäre. Und der Gedanke war verlockend mitzugehen, war doch in diesem Winter die Chance besonders hoch das Nordlicht zu sehen.

So kam es, dass wir zusammen an einem nassen Januarmorgen im Flughafen Zürich von Pontius zu Pilatus (und umgekehrt) geschickt wurden, um meinen Swisstrac einzuchecken. Ich weiss jetzt auch weshalb man zwei Stunden vor Abflug im Flughafen sein muss!

Nach dreieinhalb Stunden Flug landeten wir wohlbehalten am Abend in Kittilä (Finnland), wo uns schon Katja, die Taxifahrerin erwartete. Sie fuhr uns durch die tiefverschneite Landschaft ins 50 km entfernte Äkäslompolo. Dank Katja erhielten wir sofort den Schlüssel für unsere Unterkunft, welche wirklich sehr schön war und auch alle Türen ohne Schwellen und auch breit genug für den Rollstuhl. Ausser die Treppe vor dem Eingang also rollstuhlgängig, aber nicht behindertengerecht. Rauhe Platten, an denen man keine Griffe festmachen kann, kaum Platz für den Rollstuhl im Bad und neben dem Bett etc.

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Aufgrund der Bilder im Hotelprospekt war vorauszusehen, dass ich eine Woche ganz stark auf die Hilfe von Urs angewiesen sein werde. Aber jetzt genossen wir zuerst einmal die Ruhe, um dann am zweiten Tag unseren ersten grösseren Ausflug durch die herrliche Landschaft zu unternehmen. Es war denn auch der kälteste Tag dieser Woche, das Thermometer zeigte -26° C und der Bart von Urs war schon bald von Eiskristallen umhüllt. Mich fror es sehr schnell trotz meiner vier Schichten Kleider, so dass nur kurze Ausflüge möglich waren. Urs und den Swisstrac störten die Kälte kein bisschen. Für mich beschlossen wir die wärmste Jacke, die es hier gäbe zu kaufen, was wir am anderen Tag denn auch taten!

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Im Touristenbüro fragten wir, ob sie noch gute Vorschläge hätten, was ich als Rollstuhlfahrerin noch unternehmen könnte. Renntierschlittenfahren wäre etwas gewesen. Aber da ich auf den einfachen Schlitten nicht mehr allein sitzen kann, musste ich es von der Wunschliste streichen. Es gab auch noch Ausfahrten mit Schlittenhunden. Im Schlitten hätte ich vielleicht sitzen können, aber die Piste war zurzeit viel zu hart und holprig, sodass es nicht wirklich ein Vergnügen gewesen wäre.

Es blieben die Spazierfahrten auf den sehr wenig befahrenen Strassen durch tief verschneite Wälder, vorbei an einzelnen «Villen». Manchmal war der Himmel orangerot mit einer halb verstecken Sonne; ein anderes Mal hellblau und rosarot (schon fast kitschig). Und wenn es schneite, gab es Schneekristalle, die massen nur einen Millimeter im Durchmesser mit unzähligen Formen, wunderschön!

Im Touristenbüro sagten sie uns auch, dass sie hier noch nie einen rollstuhlfahrenden Touristen gesehen hätten und mit dem total unbekannten Swisstrac erreichte ich die volle Aufmerksamkeit aller Passanten! Das genaue Funktionieren des Tracs erklärten wir denn auch «unserer» Taxifahrerin Katja später nochmals – damit sie dies den anderen Fahrern weiterleiten konnte.



Das «Highlight» der Ferien kam am dritten Abend. Es waren zum ersten Mal keine Wolken am Abendhimmel. Ein Blick aus dem Fenster zeigte uns, dass das Schauspiel bereits begonnen hatte. Wie grüne Schleier tanzte das Nordlicht am Himmel. Es ist schwer zu beschreiben – «magnifique». Für die Samen (Ureinwohner Lapplands) entsteht das Nordlicht aus den Seelen der verstorbenen Menschen. Das ist für mich ein faszinierender Gedanke, später einmal (hoffentlich noch lange nicht) am Himmel schwerelos Kapriolen zu treiben. Etwa eine Stunde dauerte das Spektakel, das ich zum Glück von drinnen beobachten konnte, denn draussen wo Urs Fotos schoss, war es bitter kalt.

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Bald schon war es wieder Samstag. Bei der Rückreise zum Flughafen mit Katja fuhren wir einen kleinen Umweg zu einem «Eishotel». Dort kann man wirklich auf Eis schlafen, nicht unbedingt für mich.

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Sehr müde kamen wir am späten Abend glücklich zu Hause an. Ein geheimer Traum ist in Erfüllung gegangen. Was bleibt sind unvergessliche Erinnerungen. Dazu geniesse ich mein gut eingerichtetes Daheim doppelt!!!



Hedy Wolfer, März 2012